Projektbeschreibung:

Michelangelo Buonarroti besitzt eine unvergleichliche Stellung in der Bildenden Kunst. Wohl keinem Künstler sind umfangreichere Forschungen gewidmet worden, beginnend mit den Biografien von Giorgio Vasari und Ascanio Condivi. Es lag an der deutschen Italiensehnsucht, die in M. einen besonders nahestehenden Künstler sah, dass die Forschung seit dem 19. Jahrhundert von deutschsprachigen Autoren dominiert wurde. Der Grundtenor war, M. habe sich in geradezu mönchischer Weise zurückgezogen, um in seinen Werken die Erfüllung seiner alle Normen abstreifenden Gestaltung zu finden.

Horst Bredekamp nimmt diese Motive auf, um sie in ihr Gegenteil zu kehren. Er erkennt in der Freiheit M.s eine Bindung eigener Art. Seine Darlegung widmet sich der Vita des Künstlers aus der Perspektive des Lebens seiner Formfindungen. Bredekamp verfolgt das Schaffen durch das gesamte skulpturale, malerische und architektonische Werk, um die Formen M.s aus einer eigenen, sich selbst verpflichteten Unbedingtheit zu verstehen, die weder Grenzziehungen noch Normsetzungen zuließen. Angesichts seiner Erfahrung, von Menschen wie Formen überwältigt zu werden, wurde M. unabhängig von Außeneinflüssen, Interessen, Konkurrenzen, Zeitstimmungen und Einflüsterungen aller Art. Als Getriebener wurde er autonom. In dieser Spannung liegt das Widerständige seines Tuns. Vermutlich keinem anderen Künstler ging es so unabdingbar gegen die Natur, Beschränkungen anzunehmen, Vorgaben umzusetzen und Normen zu visualisieren.

Projektziele:

Bredekamp zeigt, dass M. nicht allein als Schöpfer, sondern auch als Produkt jener Formen gesehen werden muss, die sich über sein gesamtes Leben entfalteten. Das Phänomen der verschobenen Schöpfung, der Ausführung von Aufträgen und Ideen nicht in diesen selbst, sondern in Folgeprojekten, die sich vollständig anderen Rahmenbedingungen verdankten, wird auf diese Weise erklärbar. Die Weltentzogenheit M.s erweist sich als Produkt eines Zuviel an Empathie, die ihn zu Höchstleistungen antrieb.

Projektstart: September 2020

Projektende: Erscheinen Frühjahr/2021

Quelle: Verlag Klaus Wagenbach, Berlin